Pete Astor: Tall Stories & New Religions

Pete Astor credit Elena Ferreras

Zu seinen Stil- und Zeitgenossen zählen Musiker, die berühmter wurden. Pete Astor blieb dagegen eher zweite Liga. Ein neues Album mit alten Songs würdigt nun seine Qualitäten.

von Werner Herpell

Wenn man sich bei der geschätzten Internet-Review-Plattform Allmusic über Pete Astor schlau machen will (denn es ist ja schon ein paar Jährchen her, dass man ihn größer auf dem Zettel hatte), dann ploppen sofort Namen von „Related Artists“ auf. Als da wären (mutmaßlich in der Rangfolge ihrer stilistischen Nähe): Lloyd Cole, Nick Heyward, Bill Pritchard, Tracey Thorn, Robert Forster, Edwyn Collins, Grant McLennan. Das passt alles ganz gut. Und es sagt so einiges über die pophistorische Herkunft und die Songwriter-Qualitäten dieses sehr englischen Musikers aus.

„Ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen“

Pete Astor Tall Stories & New Religions Cover Tapete Records

In diesem Jahr wird der

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gebürtige Londoner Pete Astor 64 Jahre alt und feiert sein 40-Jähriges als „Recording Artist“. Was mit dem wackligen Projekt The Loft (1980-1984) und der Gitarrenpop-Kultband The Weather Prophets (1986-1988) noch jugendlich-naiv begann, mündete in eine respektable (überwiegend) Solo-Karriere – die allerdings leider nie so erfolgreich verlief wie bei einigen der oben Genannten, die mit The Commotions, Haircut 100, Everything But The Girl, The Go-Betweens oder auch solo seit den 80ern kommerziell größere Wellen schlugen.

„Ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen und um sich auf Songs zurückzubesinnen, die auf Platten von Combos erschienen sind, bei denen Astor der Frontmann war“, schreibt sein Hamburger Label Tapete jetzt über „Tall Stories & New Religions“. Ein neues Album, wenn auch keine ganz taufrischen Songs – sondern zwölf neu aufgenommene Lieder aus der Vergangenheit, die der Gitarrist und Sänger für The Loft, The Weather Prophets und The Wisdom Of Harry schrieb, aber auch „ausgewählte Perlen von Solo-Alben“.

Songs neu erforscht oder exhumiert

Und was soll man sagen – Referenzkünstler wie Cole, Pritchard, Forster oder Collins dürften diese Lieder mögen, da sie in ihren eigenen Katalog reinpassen würden. Seine Motivation für „Tall Stories & New Religions“ hat Astor im Grunde so beschrieben: Manche Songs würden sozusagen neu erforscht, so wie man bei einem stimmungsvollen Foto, das man in einer alten Kiste gefunden hat, hängenbleibt, um sich mit seinem jüngeren Ich zu verbinden; manche würden in weiseren, nachdenklicheren Tönen neu interpretiert; und andere mussten einfach mal aus ihrer mutwillig verwaschenen Lofi-Produktion exhuminiert werden.

Tracks wie „Model Village“, „Chinese Cadillac“ oder „Ceasar Boots“ sind in ihrer sympathisch verschrobenen Gitarrenpoppigkeit typisch Astor, „Disney Queen“ ist eine sehr berührende Ballade, das ebenso wunderhübsche „She Comes From The Rain“ hätte in einer gerechteren Pop-Welt ein Hit sein können. Überhaupt fällt auf, wie gute, leicht neben dem Mainstream liegende Melodien dieser Singer-Songwriter immer schon und immer wieder gefunden hat. Seine angenehme, warm-herbe Baritonstimme, die tatsächlich irgendwo zwischen Lloyd Cole und Robert Forster zu verorten ist, kann auch kein Grund dafür sein, dass Pete Astor nie in derselben Sophisticated-Pop-Liga mitspielte.

Pete Astor – ein „musician’s musician“

Er ist wohl eher ein „musician’s musician“, der in seiner Branche mehr geschätzt wird als vom breiten Publikum. Auch die für „Tall Stories & New Religions“ zusammengestellte Band, laut Tapete „hervorgegangen aus vielen Stunden des gemeinsamen Musizierens bei Aufnahmesessions und Konzerten in der letzten Dekade“, kann sich sehen lassen: am Schlagzeug Ian Button (Death in Vegas), am Bass Andy Lewis (Paul Weller), an der Gitarre Wilson Neil Scott (Felt, Everything But The Girl) und an den Keys der renommierte Produzent Sean Read (Dexys, Mark Lanegan, Dave Gahan, Iggy Pop, Manic Street Preachers, Beth Orton, Chrissie Hynde etc.).

Die Wiederentdeckung eines Dutzends fast verlorener Songdiamanten von Pete Astor lohnt sich also. Vielleicht ist dieses Album ja doch noch Anlass genug für Fans feinen Songwritings, einen verdienten Musiker im gehobenen Alter wahrzunehmen.

Das Album „Tall Stories & New Religions“ von Pete Astor erscheint am 15.03.2024 bei Tapete. (Beitragsbild von Elena Ferreras)

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